Im Jahr 2011 hat der U.S-amerikanische Psychologe Jonathan Levav an der Standford University neurowissenschaftlich erforscht, warum die Qualität von Entscheidungen schwankt – von Mensch zu Mensch, von Situation zu Situation und von Zeit zu Zeit.
Die kurze Antwort darauf ist: Entscheidungsmüdigkeit. Im Kern beschreibt dieser Begriff das Phänomen, dass Entscheidungen zu treffen dem menschlichen Bedürfnis entspringt, einen Ist-Zustand im Jetzt und Hier regulieren zu wollen, etwa in Form von Kausalitätsketten.
Zum Beispiel können folgende Denkmuster dahinter stehen: „Wenn“ ich mich vor Fahrraddiebstahl schützen will, „dann“ entscheide ich mich für ein Fahrradschloss. „Wenn“ mir meine Mobilität wichtig ist, „dann“ sichere ich sie ab.
Nach einer solchen Willensbildung – der sogenannten Volition – setzt meist ein innerer Entscheidungsprozess ein, der hirnphysiologisch vor allem im sogenannten präfrontalen Cortex gesteuert und verarbeitet wird.Die Krux ist, dass die Hirnregionen ermatten wie andere Körperorgane auch – und zwar je nach Intensität und Dauer ihrer Inanspruchnahme. Proportional zum Zeitverlauf reduziert sich zugleich die Treffsicherheit von Entscheidungen. Denn die Präzision des rationalen „Arbeitshirns“ sinkt in der Folge mehr und mehr herab. Parallel dazu steigt allerdings die eigene emotionale Sensibilität, sodass „kurzschlüssige“ Entscheidungen bzw. ergbebnisentscheidende „Fehlschlüsse“ zunehmend wahrscheinlich werden.
Dieser Hintergrund macht beispielsweise plausibel, warum sich zum Beispiel Start-ups relativ oft in hohen Ambitionen „verzetteln“, beim systematischen Aufbau von Organisationsstrukturen träge werden und letztlich im Chaos einzubrechen scheinen. Oder warum man in den Warenhäusern mehr einkauft als geplant war.
Um der Entscheidungsmüdigkeit nicht anheimzufallen, habe ich u.a.die folgenden Einscheidungskriterien und Kaufeinstellungen verinnerlicht:
– Ich befolge die Kurz-Formel des „gezielten Einkaufens“. Das heißt: Ich schreibe eine Einkaufsliste, bevor ich einkaufen gehe. Und nicht danach. Zudem versuche ich, meine Einkaufswege aufeinander abzustimmen, indem ich die Reihung der Ladenbesuche festlege, bevor ich das Haus verlasse.
– Spontankäufe mache ich bewusst und höchsten einmal im Monat.
– Wenn in einem meiner Lebensbereiche eine komplexe Entscheidung ansteht, treffe ich in den übrigen Lebensbereichen keine weitere komplexe Entscheidung.
– Wenn in mehreren Lebensbereichen mehrere komplexe Entscheidungen zugleich anstehen, priorisiere ich zunächst den jeweiligen Entscheidungsdruck. Danach erledige ich eine Entscheidung nach der anderen, statt alle gleichzeitig anzugehen. Oder ich gebe einige Entscheidungen an Fachleute ab, damit sich das Prinzip ‚Sorgfalt kommt vor Schnelligkeit‘ auf keinen Fall ins Gegenteil „verkehrt“.
– Bei Entscheidungen, die mehr als sechs Monate lang nachwirken, nehme ich mir Zeit für jeden Entscheidungsschritt. Mit dem einfachen Entscheidungsgrad fange ich an, um mich peu á peu in den Prozess hineinzufinden. Je höher der Schwierigkeitsgrad ist, desto mehr Pausen lege ich ein. Solange die Richtung stimmt, ist das Tempo – für mich – nachgeordnet.